Mitbewohner willkommen

Mauersegler, Foto: Jan Gläßer

Mauersegler und Co. als Untermieter

Viele Menschen halten diesen Flugakrobaten auf den ersten Blick vermutlich für eine Schwalbe, doch tatsächlich ist der Mauersegler mit diesen nicht direkt verwandt. Wegen der Ähnlichkeit war er jedoch früher auch unter dem Namen „Turmschwalbe“ bekannt. Mit seinen 40 cm Flügelspannweite ist er allerdings deutlich größer als eine Schwalbe. Aber auch in seinem Flugverhalten ist er eigentlich leicht von der wie vor sich hin schwätzenden Schwalbe zu unterscheiden: Er schießt mit schrillen Schreien oft mit mehreren gemeinsam durch die Lüfte wie eine Formation Düsenjäger. Die Namen Mauersegler und Turmschwalbe geben uns bereits einen Hinweis darauf, wo dieser Vogel zu finden ist: Er brütet vor allem an hohen Gebäuden mit Nischen, wo er seine Nester bauen kann, z.B. unter Ziegeln, Steinen oder in Mauerlücken. Der Mauersegler gehört zu den Arten, die sich als Kulturfolger ganz gut an unsere menschlichen Siedlungen angepasst haben. Seine ursprünglichen Lebensräume – er brütete in Felsnischen oder in Baumhöhlen in alten Buchen- und Eichenwäldern – nutzt er nur noch selten und hat sie schon seit dem Mittelalter mit den Städten und Dörfern getauscht. Warum, das weiß keiner so ganz genau.
Mauersegler sind atemberaubende Flugkünstler, denn sie verbringen ihr Leben fast ausschließlich in der Luft. Schon ihre kurzen Stummelfüße zeigen, dass sie nicht für einen Aufenthalt am Boden geschaffen sind. Sie erledigen alles im Flug: das Jagen, Trinken, Schlafen und sogar die Paarung. Da sie so geschickte Flieger sind, gelingt es ihnen, Insekten und Spinnen im Flug gezielt zu fangen. Sie jagen ihre Beute in bis zu 3.000 m Höhe, doch bei schlechtem Wetter auch direkt über dem Boden, wo dann mehr Insekten zu finden sind. Ebenso machen es die Schwalben, daher die alte Weisheit, dass tief fliegende Schwalben schlechtes Wetter ankündigen.
Dem nasskalten europäischen Winter entgehen Mauersegler, indem sie nach Afrika ziehen und südlich der Sahara überwintern. Während ihres „Winterurlaubes“ sind sie weniger standorttreu als bei uns und ziehen immer dorthin, wo es gerade gute Nahrungsquellen gibt. So sind diese Zugvögel einen beträchtlichen Teil ihres Lebens auf Reisen. Erst Ende April, Anfang Mai kehren sie zu uns zurück, um in der Zeit bis Ende Juli zu brüten und uns Anfang August auch schon wieder zu verlassen. Da Mauersegler erst mit zwei Jahren geschlechtsreif werden, verbringen sie ihre ersten zwei Lebensjahre ausschließlich in der Luft. Die Brut ist das Einzige, was diese Vögel nicht beim Fliegen erledigen können, doch selbst das Material für das Nest wird im Flug gesammelt. Deshalb besteht dies aus leichten Dingen wie Halmen, Blättern, Federn und Haaren, die mit Speichel zusammengeklebt werden. Mauersegler sind bei der Wahl des Brutgebietes sehr standorttreu. Finden sie keine Brutplätze vor, brüten sie auch nicht. Und leider wird es für sie in den letzten Jahren zunehmend schwieriger, in unseren Dörfern und Städten einen Platz zu finden. Dies ist neben dem gravierenden Rückgang der Fluginsekten der Hauptgrund, warum der Mauersegler mittlerweile auf der Vorwarnstufe der Roten Liste in Deutschland gelandet ist.
Die Plätze für Mauersegler, aber auch für all die anderen gebäudebewohnenden Arten wie Schwalben, Hausrotschwanz, Star, Dohle, Haussperling und viele Fledermäuse, werden hauptsächlich aus zwei Gründen knapp: Gebäudesanierungen, bei denen häufig keine Rücksicht auf den Artenschutz genommen wird und Neubauten, die kaum noch Nischen, Ritzen, Vorsprünge oder Zugänge zu Dachböden bieten. Einige Arten haben sich auf bestimmte Gebäudetypen und deren Strukturen spezialisiert und brauchen beispielsweise hohe Gebäude, Ställe oder Kirchtürme. Dazu gehören Schleiereulen, Dohlen, Rauchschwalben, Weißstörche und Wanderfalken. Doch zu vielen Stallgebäuden, oft auch durch die Aufgabe der Tierhaltung oder der landwirtschaftlichen Nutzung überhaupt, sind die Türen mittlerweile dauerhaft verschlossen, die Rauchschwalbe kommt so nicht mehr hinein. Und auch in Kirchtürmen werden die Zugänge für Fledermaus, Dohle und Eule häufig zu gemacht, oft aus Gründen der Sauberkeit. Ersatz hierfür findet sich so gut wie nie.
Im Zuge von Klimaschutzmaßnahmen wurden in den letzten Jahren zahlreiche energetische Gebäudesanierungen durchgeführt. Diese sind ohne Frage notwendig und sinnvoll. Doch ohne Berücksichtigung der Belange unserer tierischen Mitbewohner haben sie verheerende Folgen auf lokale Populationen von Mauersegler und Co. Doch das muss nicht sein, denn Wärmedämmung und Sanierung lässt sich durchaus mit Artenschutz verbinden. Die meisten Quartiere werden nicht aus böser Absicht, sondern aus Unwissenheit zerstört. Mauerseglerbrutplätze sind häufig gut versteckt und werden außerhalb der Brutsaison oft nicht wahrgenommen. Auch Fledermäuse sind Untermieter, von denen man als menschlicher Hausbewohner meist nicht viel mitbekommt. Sie haben ihre Tagesschlaf- und Winterquartiere oft auf alten Dachböden, hinter Fassadenverkleidungen oder in anderen, kleinsten Spalten. Wildtiere und ihre Lebensstätten sind durch das Bundesnaturschutzgesetz zwar geschützt und dürfen nicht mutwillig getötet bzw. zerstört werden. Dass bei Gebäudesanierungen trotzdem enorm viele Quartiere verloren gehen, liegt meist an der Unwissenheit, die sowohl beim Personal der Baufirmen als auch bei den Hausbewohnern und -besitzern selbst besteht. Wichtig ist daher, dass Kommunen, Baufirmen und Umweltverbände Aufklärungsarbeit leisten, Infomaterialien und Schulungen zur Verfügung stellen.
Wenn vor Sanierungsbeginn das Vorkommen tierischer Untermieter durch einen Experten überprüft wird, können entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Doch auch Sie selbst können ein Auge darauf haben, welche „Haus-Tiere“ vielleicht bei Ihnen leben. Insbesondere brütende Vögel lassen sich durch etwas Beobachtung des Hauses und seiner Umgebung auch von Laien entdecken. Sind die Arten vor der Haussanierung bekannt, sollten die Sanierungsarbeiten mit deren Brutzeiten abgestimmt werden, so dass es nicht zu Beeinträchtigungen kommt. Auch dürfen Zugänge zu Nestern und Quartiren nicht verschlossen werden und sollten nach der Sanierung wieder zur Verfügung stehen.
Optimal ist es, wenn im Zuge einer Sanierung direkt neue Quartiere geschaffen werden. Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten, wie mit speziellen Mauersteinen oder Nistkästen das Angebot für Mauersegler, Schwalbe, Sperling und Fledermaus sogar erweitert und auch Verschmutzung oder andere Störungen weitgehend vermieden werden können. Da diese Tiere ihre Jungen gerne in Kolonien großziehen, sollten direkt mehrere Quartiere bzw. Nisthilfen für eine Art geschaffen werden. Auch bei Neubauten sollte diese wichtige Form des Artenschutzes direkt mitbedacht werden, doch leider geschieht dies äußerst selten.
Die Zahl der Maßnahmen, die wir vor unserer eigenen Haustüre zum Schutz der Artenvielfalt ergreifen können ist groß. Mauersegler und Co. am Haus als Mitbewohner willkommen zu heißen, ist nur eine dieser Möglichkeiten, oft von Erfolg gekrönt und reich belohnt. Denn dann können wir diese wendigen Flieger auch weiterhin im Sommer über unseren Dächern beobachten.

Karolin Prott

Literaturhinweise:
Klaus Richarz, Martin Hormann (2010): Nisthilfen für Vögel und andere heimische Tiere. AULA-Verlag, 296 Seiten, 29,95 €
Außerdem finden sich bei den Naturschutzverbänden verschiedene Veröffentlichungen, beispielsweise:
Beim BUND eine Broschüre und ein Praxishandbuch „Klimaschutz und biologische Vielfalt unter einem Dach – Artenschutz bei Gebäudesanierungen“. Kostenlos auf der Website bestellbar oder als PDF zum Download.
Beim NABU (Berlin) die Broschüre „Naturschutz am Haus“ als Download (Über Google: nabu naturschutz am haus pdf).

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