„Die Turteltaube ist nicht nur ein schön gezeichneter, sondern auch in seinem ganzen Wesen liebenswürdiger Vogel, so daß man sich nicht wundern darf, wenn sie von Dichtern und Liebenden hochgeachtet wird. Schon ihre Schönheit nimmt für sie ein. Ihre sanften Farben gehen ansprechend ineinander über und stehen so geschmackvoll neben einander, daß man sie mit Vergnügen ansieht.“
Ludwig Brehm (1784-1864)
Bei uns anzutreffen: Mai-September
Überwinterungsgebiet: Sahelzone, südlich der Sahara
Lebensraum: halboffene Landschaften und lichte Wälder
Nistplätze: Flaches Nest in Hecken, Feldgehölzen, Waldrändern, größeren Gärten, Streuobstwiesen
Brutzeit: Mai – Juni
Gelege: 2 Jahresbruten mit je 2 Eiern
Nahrung: Samen, trockene Früchte
Gut, dass es Worte gibt und gute Fotografien, damit wir uns ein Bild machen können von diesem wunderbaren Taubenvogel, denn draußen in der Natur wäre es eher wie ein Sechser im Lotto, wenn wir ihn zu Gesicht oder Gehör bekämen. Denn auch beim Vogel des Jahres 2020 reden wir über eine Vogelart, die sich langsam aber sicher, sang- und klanglos vom „Acker macht“, aus unseren Landschaften verschwindet, ohne dass es uns so recht zu Bewusstsein kommt. Der Symbolvogel für Liebe, Freundschaft und Frieden schlechthin ist also auf dem absteigenden Ast. Aber Symbole zählen nicht mehr viel heutzutage. Lassen wir also lieber Zahlen sprechen, das ist eher zeitgemäß: Seit 1980 ist der Bestand der Turteltaube in Deutschland um fast 90 Prozent zurückgegangen. Selbst vielen Naturschützern und Ornithologen ist erst durch diese erschreckende Bilanz, die im Zusammenhang mit der Ernennung zum Jahresvogel breitere Verbreitung gefunden hat, so richtig deutlich geworden, wie dramatisch die Situation ist. Ganze Landstriche sind schon turteltaubenleer oder zumindest fast. Unsere Region macht da keine Ausnahme, obwohl der Beweis schwierig anzutreten ist, denn über die genauen Vorkommen und aktuellen Bestände ist hier wenig bekannt. Die Art war in den höheren Lagen des Erzgebirges auch früher nur selten anzutreffen. Waldreiche, kühle Gegenden sind nicht ihr Fall. Bei einer Anfrage dazu bei den Ornithologen der Region hat sich dies bestätigt. Es wurde zudem deutlich, dass die Bestände der mittleren und unteren Lagen stark rückläufig sind und nur noch an wenigen Stellen Turteltauben vorkommen.
Wie so häufig bei einem Vogel, der um die halbe Welt reist, ist es ein ganzer Komplex von Ursachen, den man für den Rückgang verantwortlich machen kann:
Es beginnt in den Brutgebieten. Wie bei vielen anderen Arten spielt die Nahrungsgrundlage eine maßgebliche Rolle. Aber diesmal sind es nicht die Insekten, die fehlen. Die Turteltaube ist fast ein reiner Vegetarier, aber auch bei dieser Art liegt die Krux in der intensiven Landwirtschaft. Man ist es fast leid, es immer wieder zu wiederholen, aber es ist nun einmal so: Die Tatsache, dass jeder Quadratmeter möglichst intensiv bewirtschaftet wird, lässt sämtliche Kleinstrukturen wie Säume und Altgrasbereiche verschwinden und nimmt nicht nur den Insekten jede Lebensmöglichkeit, sondern auch den Wildkräutern. Zudem werden diese als Unkräuter noch durch Pestizide bekämpft. Die Liebestaube ist auf Gedeih und Verderben auf diese angewiesen. Man treibt sie damit im Grunde automatisch vor diesen Abgrund, vor dem sie nun steht. Dazu mangelt es in vielen Landschaften natürlich auch an Strukturen wie Hecken, Feldgehölzen usw., die sich als Neststandorte eignen. Bei uns mag das weniger der Fall sein.
Der Versuch, hier gegenzusteuern, erscheint derzeit ein wenig wie der Kampf gegen Windmühlen, obwohl es natürlich einige Möglichkeiten gibt, die Landnutzung etwas extensiver zu betreiben.
Auf dem Zug sieht es nicht besser aus. Besonders kurios und widerlich zugleich darf man es finden, dass diese Vogelart, wie andere Tauben auch, in 10 europäischen Ländern immer noch mit offizieller Erlaubnis der EU bejagt werden darf, obwohl es sich um eine mittlerweile sogar weltweit gefährdete Art handelt. Zirka 1,4 Millionen Turteltauben fallen jährlich auf ihrer langen Reise in den sonnigen Süden und zurück diesem höchst fragwürdigen „Vergnügen“ zum Opfer. Falls Sie dies ebenso makaber und nicht hinnehmbar empfinden wie wir, dann beteiligen Sie sich bitte an der Petition (www.vogeldesjahres.de/petition), die der NABU in dem Bemühen ins Leben gerufen hat, diesem Skandal endlich ein Ende zu setzen.
Aber nicht nur dieser Gefahr ist die Turteltaube auf ihren langen Reisen nach Afrika ausgesetzt. Wie andere Arten auch müssen sie rasten und fressen und laufen dabei immer mehr Gefahr, ein Opfer der zunehmenden Vergiftung unserer Landschaften zu werden. Ein schwerwiegendes Problem in weiten Teilen Europas. Dazu gibt es Aufsehen erregende neue Forschungsergebnisse, über die wir Sie im folgenden Beitrag noch kurz informieren möchten.
Aber nicht nur dieser Gefahr ist die Turteltaube auf ihren langen Reisen nach Afrika ausgesetzt. Wie andere Arten auch müssen sie rasten und fressen und laufen dabei immer mehr Gefahr, ein Opfer der zunehmenden Vergiftung unserer Landschaften zu werden. Ein schwerwiegendes Problem in weiten Teilen Europas. Dazu gibt es Aufsehen erregende neue Forschungsergebnisse, über die wir Sie im folgenden Beitrag noch kurz informieren möchten.
Und auch aus den Winterquartieren kommen schlechte Nachrichten: Durch Landwirtschaft und illegale Waldrodungen wird immer mehr Lebensraum vernichtet.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass die Turteltaube, wie fast alle Langstreckenzieher, zu den großen Sorgenkindern des Naturschutzes gezählt werden muss. Nur noch wenige ihrer Art können uns ein Lied dazu singen.
Aber kommen wir noch einmal zurück auf die Liebe und zwar in Form einer Liebeserklärung an die Tauben aus der Feder der großartigen Schweizer Dichterin Erika Burkart und hoffen wir, dass uns auch die kleinste, grazilste und hübscheste unter ihnen, die Turteltaube, doch noch ein wenig erhalten bleiben möge. Und vielleicht kommen ja auch wieder bessere Zeiten, in denen wir das Turteln dieser bemerkenswerten Tiere wieder öfter zu hören und zu sehen bekommen und uns zum Vorbild nehmen dürfen.
„Heute früh den Flug der Tauben im Nebel beobachtet und begriffen, weshalb Picasso diesem Vogel besondere Beachtung schenkte. Die Tauben, die ich sah, flogen mit aufgefächerten Schwanzfedern (Steuer?), propellerartigen Flügeln. Den verhältnismäßig langen Hals gestreckt, an diesem der kleine runde Kopf. Sie sahen aus wie unbeholfene Engel, die das Fliegen lernen.“
Erika Burkart (1922-2010), „Am Fenster, wo die Nacht einbricht. Aufzeichnungen“
Matthias Scheffler