Vogelsterben durch Pestizide

Mehl- und Rauchschwalbe im Duett, Foto: Jan Gläßer

Vor allem Langstreckenzieher betroffen

„Der frühe Vogel fängt den Wurm“. Wir Menschen können es uns durchaus leisten, diesen Spruch zumindest gelegentlich zu ignorieren. In der Vogelwelt hat er ganz wesentliche Bedeutung, vor allem für die Zugvögel. Vögel, die zeitig im Brutgebiet eintreffen, können die besten Reviere besetzen und haben folgerichtig die günstigsten Aussichten auf eine erfolgreiche Brut. Nicht nur der Klimawandel, sondern auch die Gegebenheiten auf dem Zug beeinflussen die Ankunft der Vögel stark. Vögel brauchen Energie, müssen „tanken“, müssen fressen was das Zeug hält, damit sie ihre lange Reise ins Brutgebiet erfolgreich, schnell und pünktlich beenden können. Diesbezüglich bringen nun neue Forschungsergebnisse zum Einfluss von Agrarchemikalien auf Vögel Erstaunliches zutage. Mehrfach wurde schon bekannt, dass insbesondere die ohnehin seit der Debatte um das Insektensterben stark in der Kritik stehenden Neonicotinoide trotz vorschriftsmäßiger Dosierung durch Verzehr der Samen von behandelten Pflanzen zu einem Massensterben bei Vögeln führen können. Meistens kommt es jedoch nicht zum Tod, aber zu Störungen des Stoffwechsels und der Orientierungsfähigkeit, ähnlich wie bei den Insekten. Neuere Untersuchungen zeigen nun, dass die Aufnahme von Neonicotinoiden zu rapiden Gewichtsverlusten binnen Stunden führen und den Weiterzug der Vögel um bis zu 3,5 Tage verzögern, weil sie sich sozusagen von der Vergiftung erholen und ihre Fettreserven auffüllen müssen. Das erscheint auf den ersten Blick nicht dramatisch, Aber auf den weiten Zugwegen kann sich das natürlich kumulieren und zu starker Verspätung führen. Viele Zugvögel rasten auf ihrem Weg aus den afrikanischen Winterquartieren auf landwirtschaftlichen Flächen und die Gefahren, dabei mit Neonicotinoiden oder ähnlich wirkenden Substanzen in Kontakt zu kommen, sind erheblich, sei es nun durch den Verzehr von gebeizten Samen, Sprühnebel oder beim Trinken, denn der Einsatz von Agrargiften ist weit verbreitet.
Damit könnte neben den Verschlechterungen der Lebensverhältnisse in den Brutgebieten eine weitere Ursache für den rapiden Rückgang gerade auch der Langstreckenzieher unter den Agrarvögeln gefunden sein. Beispielhaft dafür steht das Braunkehlchen, dessen Bestand in Deutschland in den letzten 25 Jahren um 58 % zurückgegangen ist, aber auch Gartenrotschwanz und Gartengrasmücke.

Matthias Scheffler

Literatur/Quelle:
Thomas Krumenacker (2019): Agrarchemikalien bringen Zugvögel in Existenznot. FALKE 11/2019; 16-19.

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