Lichtverschmutzung – Vom Verschwinden der Nacht

Foto: NASA Earth Observatory/Robert Simmon/Suomi NPP/VIIRS/Chris Elvidge/NOAA

Wieviel Sternlein kannst du zählen?
Von tintenschwarzen Nächten weit entfernt – das Problem mit der Lichtverschmutzung

Sternenklare Nächte, in denen man am Firmament die Sternbilder sucht, die Milchstraße sieht und sich bei einer Sternschnuppe schnell etwas wünschen darf – schöne Erinnerungen, die es bestimmt bei vielen von uns gibt. Und doch ist es mittlerweile in vielen Regionen gar nicht mehr so leicht, solche Erlebnisse zu haben. Nicht, weil die Sterne weg oder von Wolken verdeckt wären, sondern einfach, weil die Nächte nicht mehr dunkel genug sind. Weil das künstliche Licht um uns herum die Sterne überstrahlt. Ende des 19. Jahrhunderts zog die elektrische Beleuchtung in unseren Städten ein, mittlerweile sind manche Städte bis zu 4.000 Mal heller als die Nacht es natürlicherweise wäre.
Im Erzgebirge findet man sie noch leichter, die ganz großen Städte sind weit entfernt. Doch auch hier brennen Straßenlaternen in Schwarzenberg oder Schneeberg in der Nacht, sieht man im Dunkeln die Lichtkuppel von Zwickau. In der Weihnachtszeit gibt es natürlich noch weit mehr Licht und niemand möchte die Schwippbögen in den Fenstern oder die Weihnachtsbeleuchtung im Baum missen. Sie sind auch gar nicht das Problem, erfreuen wir uns doch an diesen Lichtern nur für eine sehr begrenzte Zeit im Jahr. Das Problem ist die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliches Licht das ganze Jahr über, 365 Tage ohne Pause. Lichtverschmutzung ist der Begriff, der dieses Phänomen beschreibt. Ein bisschen irreführend vielleicht, denn verschmutzt wird nicht das Licht, sondern die Dunkelheit. Tintenschwarze Nächte, sie sind schwer zu finden in unserem Land, denn es brennen die Lichter der Straßenlaternen, es werden Denkmäler und Gebäude angestrahlt und mit Licht in Szene gesetzt, Schaufenster, Werbetafeln und Fußballplätze erleuchtet.
Weniger Sterne am Nachthimmel zählen zu können oder die Milchstraße nicht mehr zu sehen, dies ist nur ein Teil der negativen Aspekte der Abwesenheit völliger Dunkelheit. Gravierender noch sind die Auswirkungen auf unsere heimische Tierwelt, vor allem auf die Insekten und Vögel. Es gibt zahlreiche nachtaktive Insekten und oft bemerken wir sie erst, wenn sie im Dunkeln unsere Lichtquellen umschwirren. Von Straßenlaternen werden sie wie magisch angezogen. Die um das Licht der Straßenlaterne taumelnden Falter und Mücken verbrauchen enorme Energiemengen und sind deshalb oft nicht mehr in der Lage, Nahrung zu suchen oder sich fortzupflanzen. Unter den Millionen Insekten, die jedes Jahr am Aufprall oder einfach vor Erschöpfung an den Straßenlaternen sterben, sind auch viele selten gewordene Arten und die Anzahl unserer Insekten schwindet bekanntermaßen sowieso schon rapide.
Die Insekten orientieren sich am Licht, doch tatsächlich sind nicht alle Anteile des Lichts gleichermaßen attraktiv für sie. Vor allem UV-Licht und die kurzwelligen Anteile des für uns sichtbaren Lichtes (violett, blau, grün) wirken für sie anziehend. Rotes und gelbes Licht scheint dagegen weniger attraktiv zu sein. In dieser Erkenntnis steckt bereits ein Teil einer möglichen Verbesserung, denn die Auswahl von Glühbirnen mit einem niedrigen Anteil an kurwelliger Strahlung kann bereits helfen, die Anzahl der angezogenen Insekten zu reduzieren. Praktischerweise erscheint uns Menschen das dann überwiegend in warmen Gelbtönen erstrahlende Licht sowieso angenehmer. Auch können nach oben abgeschirmte Beleuchtungen nicht ganz so weit in die Umgebung abstrahlen und ziehen damit Insekten nicht aus gar so weiter Entfernung an. Zusätzlich muss man sich natürlich fragen, wie viel Beleuchtung wir wirklich brauchen. Müssen Straßenlaternen und Schaufensterlichter denn die ganze Nacht durch brennen? Immer häufiger wurde in den letzten Jahren auf LED-Lampen umgerüstet, an sich etwas Begrüßenswertes, verbrauchen diese doch deutlich weniger Energie und sind langlebiger. Leider wird dieser Vorteil oft dadurch wieder zunichte gemacht, dass die Lichter dafür länger brennen und an deutlich mehr Stellen eingesetzt werden – auf diese Weise werden weder Energie noch Kosten gespart und auch die Insekten profitieren nicht davon, obwohl bei LED-Lampen sehr einfach das blaue Licht herausgefiltert werden kann. Es gibt am Ende trotz positiver Ansätze viel zu viel überflüssiges Licht in der Dunkelheit.
Nicht nur die Insektenwelt leidet unter dieser Dauerbeleuchtung, auch für viele Vögel stellt sie ein Problem dar. Vor allem viele Zugvögel sind in der Nacht unterwegs und immer wieder werden einige von ihnen von ihren Zugrouten durch beleuchtete Hochhäuser oder Signalbeleuchtungen abgelenkt. Kommt es dabei auch zu Kollisionen mit Gebäuden, können sie dabei verletzt werden und auch versterben. Auch der natürliche Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere kann durch die Beleuchtung gestört werden, denn sie verlassen sich auf ihre innere Uhr und die Phasen von Tag und Nacht, anders als wir Menschen mit unseren genauen Uhren und Weckern. Und ob für unseren eigenen Schlaf die ständige Beleuchtung so förderlich ist, darf zumindest in Frage gestellt werden.
Eine weitere Tiergruppe, die des Nachts in unseren Siedlungen umher streift, sind die Fledermäuse. Insbesondere wenn alte Gebäude für uns malerisch mit Licht in Szene gesetzt werden, ist Vorsicht geboten, denn Fledermäuse schätzen diese Art von Ästhetik absolut nicht. Gerade in alten Gebäuden finden viele Fledermäuse geeignete Tagesschlafquartiere in Spalten, Dachböden oder Hohlräumen, doch diese werden aufgegeben, wenn sie pausenlos angestrahlt werden. Es bringt den Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere durcheinander, sie fliegen erst später aus für die Nahrungssuche und auch eine Fledermaus ist ja nicht die gesamte Nacht über unterwegs, sondern vorwiegend in der Abenddämmerung.
Nun ist das Problem bereits eine Weile bekannt, auch wenn der Thematik nur selten besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die wenigsten kennen demnach auch die „Earth Night“, die immer am dem Neumond am nächsten gelegenen Freitag im September stattfindet, die nächste ist am 23. September 2022. Mit dieser „Nacht der Erde“ wollen Menschen auf die Problematik der Lichtverschmutzung aufmerksam machen, indem sie privat alle möglichen Lichter und Lampen ausschalten, die Vorhänge zuziehen und ihre Gemeinden und Geschäfte ermutigen, für diese eine Nacht im Jahr mal alles auszuknipsen. Und wer weiß, vielleicht ist es ja eine sternenklare Nacht, in der man beim Spaziergang dann die Milchstraße sehen kann? Und vielleicht stellen wir dann fest, dass wir uns vor der Dunkelheit auch gar nicht so sehr fürchten müssen. Denn einer der Hauptbegründungen für die Dauerbeleuchtung unserer Städte und Dörfer ist oftmals der Aspekt „Sicherheit“. Ob diese jedoch tatsächlich durch mehr Licht an jeder erdenklichen Stelle erhöht wird, ist zweifelhaft. Natürlich brauchen wir ein paar (insektenschonende!) Straßenbeleuchtungen für Autofahrer und Fußgänger, doch zu viel grelles Licht blendet in der Regel nur und erhöht den Kontrast zur Dunkelheit. Gleichmäßiges, warmes, etwas abgeschirmtes Licht würde die Sichtbarkeit und Sicherheit eher erhöhen.
Vielleicht haben wir auch einfach verlernt, auch mit weniger Licht auszukommen und die Schönheit der Dunkelheit zu genießen. Wir haben extra Sternenparks und Lichtschutzgebiete geschaffen, in denen man Dunkelheit und Sterne genießen kann und die Natur vor unserem Licht schützt. Fünf Sternenparks zählt Deutschland derzeit, diese liegen im Westhavelland, in der Rhön, der Winkelmoos-Alm, im Nationalpark Eifel und im Pfälzerwald. Und so schön und wichtig diese Orte auch sein mögen, wäre es nicht noch schöner, wenn wir überall das künstliche Licht reduzieren würden und den Sternen und der Dunkelheit wieder mehr Kraft und Beachtung schenken könnten? Die Tierwelt würde sich sicher bedanken, wenn es auch im öffentlichen Raum häufiger mal heißt: „Der Letzte macht das Licht aus“

Karolin Prott

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